Mit kleinen Veränderungen Großes bewirken

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17. April 2023, 00:00 Uhr

Artikel: Mit kleinen Veränderungen Großes bewirken

Direkt vor dem Gebäude der Kravag-Logistic Versicherungs-AG befindet sich eine Station mit einem Dutzend knallroter Mietfahrräder von StadtRAD Hamburg. Was die mit dem Thema Nudging zu tun hat? Dazu kommen wir gleich. Zunächst einmal ging es hoch in den fünften Stock, wo bahn.business 360° bei der Kravag Interessierte aus verschiedenen Unternehmen zu einer Dialogwerkstatt zum Thema „Green Nudging“ eingeladen hatte. Es war die vierte und vorerst letzte Dialogwerkstatt zu diesem Thema. Über die vier Workshops hinweg konnten wir rund 100 Teilnehmenden etliche Anstöße für grüne Mobilität geben. 

Die Mission: Einen Tag lang in kreativer Atmosphäre Lösungen und Umsetzungspläne erarbeiten, damit sich Mitarbeitende in Zukunft intuitiv für grüne Mobilität entscheiden.

Great things never came from comfort zones

Den meisten der Workshop-Teilnehmenden war der Begriff "Nudging" bislang nicht bekannt. Als Nicole Behringer, Professorin für Wirtschaftspsychologie, in ihrer Einführung einige Beispiele aufzählte, ging jedoch ein kollektives „Ahh“ durch die Runde: Sie beschrieb unter anderem die Stockholmer Treppe, deren Stufen Musik machen, damit Menschen angeregt werden, sich körperlich zu bewegen, anstatt die Rolltreppe zu nutzen. Die kleineren Teller, die in Kantinen oder bei Hotelbüffets zum Einsatz kommen, damit weniger Essen aufgefüllt wird, das am Ende weggeschmissen werden muss. Oder: Das Gadget für die Dusche, das grün leuchtet, wenn nicht soviel Wasser verbraucht wird, und so zu Wasserersparnis führt.  


Quelle: Ramona Triebe

„Mir war gar nicht bewusst, an wie vielen Stellen wir im Alltag bereits auf Nudges treffen ohne zu wissen, dass es welche sind,“ fiel Yvonne Schönherr, Projektmanagerin B.A.U.M. e.V. auf. Andere Teilnehmende erzählten, dass sogar schon einige Nudges in den Unternehmen im Einsatz seien. Wo wir wieder bei den roten Rädern vor der Tür wären, die die Kravag-Mitarbeitenden „anstupsen“ sollen, das Auto stehen zu lassen und entspannt zur nächsten S-Bahn-Station zu radeln.  

"Ein ergänzendes Tool im Koffer der Möglichkeiten"   

Zusammen mit den bahn.business-Coaches Christina Menzel-Ostrowski, Dirk Bösicke und Romeo Suleiman wurden drei Themenbereiche herausgearbeitet, zu denen sich jeweils Gruppen zusammenfanden: Pendeln, Motivation und Dienstreisen.  

Pendeln: Mitfahrer-App und Mobilitätsengel   

Die erste Gruppe, die ihr Workshop-Ergebnis präsentierte, widmete sich der Frage, wie der Individualverkehr reduziert werden kann. „Ob es sich um Veranstaltungsbesucher oder pendelnde Dienstwagennutzer handelt, im Idealfall sollte man sich zusammentun, um nur ein Fahrzeug zu nutzen anstatt fünf“, so die Teilnehmenden. Zur Umsetzung dieses Gedankens soll eine Mitfahr-App eingesetzt werden, wie etwa die App „Twogo“, die bereits erfolgreich bei der R+V Allgemeine Versicherung AG im Einsatz ist, wie Hannes Davieds, Leiter Mobilitätsmanagement und Vorstandsfahrdienst, erklärte. 

Doch wie informiert man die Mitarbeitenden über das Angebot? Zum Beispiel über Plakate, die in Parkhäusern angebracht werden und einen QR-Code enthalten, der direkt zur App führt. Alternativ könnte die App auch standardmäßig auf Firmenhandys installiert werden, um die Hürde für den Einstieg möglichst gering zu halten. Und weil man beim betriebsinternen Carsharing auch noch neue Kontakte knüpft, könnte „Teamspirit to go“ ein guter Slogan sein.  

Ein weiterer Grund, warum viele Mitarbeitende ungern auf das Fahrzeug von Kollegen umsteigen, ist die Sorge, im Notfall nicht flexibel genug zu sein. Sei es, weil das Kind krank wird und abgeholt werden muss, oder weil der Kollege, der einen morgens mitgenommen hat, abends einen anderen Termin hat. Die Lösung hierfür könnte der „Mobilitätsengel“ sein: Eine Absicherung, beispielsweise in Form von Taxigutscheinen, die sicherstellt, dass man im Notfall immer nach Hause kommt. Eine Art doppelter Boden, der die Hemmschwelle senkt und dazu motivieren könnte, neue Mobilitätslösungen auszuprobieren. 

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Motivation: Gute Vorbilder und Goodies

„Wie bieten zwar viele tolle Aktionen an, aber am Ende erscheinen immer die gleichen Kollegen und Kolleginnen. Wie erreichen wir die anderen Mitarbeitenden?“ fragte sich Michele Breitenstein, Gruppenleiter bei R+V Versicherung. Folgende Ideen wurden von der Gruppe herausgearbeitet: „Leading by example“, Führungskräfte sollten ihre Social-Media-Kanäle nutzen, um auf eine Veranstaltung hinzuweisen, bei der sie natürlich ebenfalls am Start sind. Überhaupt sei es wichtig, eine Art Transparenz zu schaffen: Wer von meinen Bekannten ist vielleicht auch schon dabei? Auch das Angebot, Freunde oder Familienmitglieder mitzubringen, würde die Hemmschwelle sinken lassen, sich aktiv zu engagieren.  

Weitere Vorschläge: Ehrenamtliche Mitarbeiter könnten mit Goodies belohnt werden, wie besondere Freizeitangebote, Corporate Benefits – oder sogar freie Tage. Bei firmeninternen Sportevents könnten hochwertige Trikots ein Anreiz für die Teilnahme sein. Auch sollten Mitarbeitende, die Lust haben, als „betriebsinterne Influencer“ zu fungieren, mehr unterstützt werden. Durch kleine Schulungen oder auch Vorlagen, die die Arbeit erleichtern. So könne mehr digitale Präsenz erzeugt werden, um geplante Events – und die Menschen, die dahinterstecken – noch sichtbarer zu machen.

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Dienstreisen: Bilder im Kopf entstehen lassen

Manchmal müssen es gar nicht die großen Räder sein, manchmal muss man nur kleine Schrauben drehen, um Veränderungen zu bewirken. Die Gruppe, die sich zum Thema Dienstreisen zusammenfand, schaute sich an, wie man schon beim Reiseantrag – der ja meistens über ein Onlinebuchungssystem erfolgt – die Mitarbeitenden „nudgen“ kann, eine nachhaltige Entscheidung zu treffen.  

Eine Idee: Die Optimierung der Standardeinstellungen. „Du hast bei uns die freie Wahl des Verkehrsmittels“, informierte Juliane Schubert von der HKL Baumaschinen GmbH. „Doch zukünftig geben wir dir erst einmal vor, dass du den Zug nimmst. Und wenn du ein anderes Verkehrsmittel möchtest, kannst du das zwar machen, aber der Weg dahin wird dir erschwert, weil du bewusst etwas anderes wählen musst.“    

Weiterer Nudge: Mit Slogans wie „Steig um! Mit dem Zug wird der Weg zur Projektzeit“ soll schon beim Buchen ein Bild im Kopf entstehen, wie man den Weg zum Termin optimal für sich nutzen kann. Auch optische Nudges – wie die CO2-Ersparnis in grüner Farbe – könnten direkt angezeigt werden. „Toll wäre es auch, wenn dort ein Link zur Mitfahr-App aufploppen würde“, nahmen die Vortragenden die Idee der anderen Gruppe noch einmal auf.  

„Konkret könnten wir bei uns im Unternehmen sicher schnell drei, vier kleine Nudges umsetzen“, überlegte Juliane Schubert. „Im besten Fall erreichen wir auf diese Weise sogar, dass 50 Prozent weniger Mietwagen genutzt werden.“ 

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Fazit: "Kommunikation ist wichtig"

Wie erfolgreich die Ideen umgesetzt werden, wird sich am 6. November 2024 zeigen, wenn alle Teilnehmenden beim digitalen Follow-Up noch einmal zusammenkommen. „Dieser Termin ist quasi auch ein Nudge“, sagte Dr. Nicole Behringer augenzwinkernd.  


Stimmen der Teilnehmenden:

Stephanie Meetz, Director of Sustainability and CSR, Head of Workplace, Travel and Mobility bei Sopra Steria

„Was ich heute gelernt habe? Wie wichtig es ist, sich genau mit den unterschiedlichen Zielgruppen zu beschäftigen. Dass man Personas erstellen muss, um genau zu schauen, wo speziell für diese Person der Schmerzpunkt liegt, warum sie sich noch nicht an Aktionen beteiligt hat, wie man sie für eine Aktion gewinnen kann“
Stephanie erklärte, wie in ihrem Unternehmen Nudging bereits praktiziert wird: „Über das Corporate Buchungsportal der DB ist eine zentrale Kreditkarte als Bezahllösung hinterlegt, es muss keine Reiskostenabrechnung erstellt werden. Die Buchung eines Fluges ist hier schon umständlicher, es muss im Portal des Reisebüros eine Kostenstelle angeben werden, es läuft durch einen Freigabeprozess und die Abrechnung über eine Reisekostenabrechnung ist notwendig.“ Ihr Wunsch: „Wir werden auf jeden Fall einen Umsetzungsworkshop in unserem Hause durchführen, um das Thema in einem größeren Personenkreis weiter zu diskutieren und an konkreten Beispielen zu verproben.“

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Carolin Gueldner, Fuhrparkmanagerin bei Dataport AöR

„Wir nutzen Nudging bei uns im Unternehmen noch nicht bewusst, aber tatsächlich wird es an einigen Stellen bereits angewandt: Zum Beispiel haben wir seit kurzem an zwei Standorten digitale Schlüsselausgabeschränke für Poolfahrzeuge. Wer die nutzen möchte, muss sich einen RFID-Chip für die Führerscheinkontrolle auf den Führerschein kleben lassen. Das ist der neue Standard. Wer das nicht möchte, kann weiterhin den Schlüssel im Geschäftszimmer abholen, aber eben nur zu den Geschäftszeiten. Bisher haben alle den RFID-Chip akzeptiert und die Geschäftszimmer wurden entlastet.“ Carolin plant als nächsten Schritt, sich für die Anschaffung der Mitfahr-App einzusetzen, um so den Mitarbeitenden einen leichten Einstieg in die Bildung von Fahrgemeinschaften bieten zu können.  

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Michele Breitenstein, Gruppenleiter bei R+V Versicherung AG

„Mein Aha-Moment heute war die Erkenntnis, wie wichtig es ist, die Menschen, die bereits an Aktionen teilnehmen, sichtbar zu machen. Und sie als Multiplikatoren zu nutzen, die neue Leute nominieren oder mitbringen und so für die gute Sache werben“, betonte Michele. „Was mir auch gefiel, war die Idee, Plakate in den Aufzug zu hängen auf denen steht: `Hättest du jetzt die Treppen genommen, hätte dein Körper in dieser Art und Weise davon profitiert.´ Das kostet nichts, kann aber einen großen Effekt haben.“  

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Hannes Davieds, Leiter Mobilitätsmanagement und Vorstandsfahrdienste, R + V Versicherung AG

„Wir nutzen bereits seit 20 Jahren ein sehr komfortables Buchungsportal, aber dort findet sich beispielsweise kein Hinweis, wie lange man wirklich von Tür zu Tür unterwegs ist, wenn man das Flugzeug nutzt. Oder wie hoch der CO2-Ausstoß ist. Das sind aber auch wichtige Informationen, die die Wahl eines Verkehrsmittels beeinflussen“, so Hannes.

"Überhaupt ist die Kommunikation ist ganz wichtig. Mir gefiel der Punkt, dass wir viel häufiger die Führungskräfte einbinden sollten. Wir haben bei uns in Wiesbaden mittlerweile Vorstände, die mit dem Fahrrad kommen, die das Auto auch mal stehen lassen und sich für eine Fahrgemeinschaft entscheiden. Ich finde, darüber sollte man ruhig mal berichten.“  

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(C) Iris Soltau | Freie Journalistin