Dialogwerkstatt bei der LVM - Kleine Stellschrauben, große Aufgabe

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10. Februar 2025, 00:00 Uhr

Artikel: Dialogwerkstatt bei der LVM - Kleine Stellschrauben, große Aufgabe

Im November 2024 fand im 65 Meter hohen Büroturm der LVM in Münster der bahn.business Workshop zu Green Nudging im Praxiseinsatz statt.

Wie überzeugt man seine Mitarbeiter:innen, auf nachhaltige Mobilität zu setzen?

bahn.business besuchte die LVM Versicherung in Münster, um gemeinsam beim Umsetzungsworkshop „Green Nudging“ konkrete Lösungen zu finden  

Der 65 Meter hohe Büroturm der LVM am Kolde-Ring in Münster ist ein echter Hingucker. Die Fassaden sind vielfach eingeknickt, die so entstandenen Facetten lassen das Gebäude aus der Ferne wie einen Kristall funkeln. Es setzt aber nicht nur architektonisch, sondern auch in Sachen Energiebilanz Maßstäbe: Dank Klimapufferzone und Dreifachverglasung, Photovoltaikanlage auf dem Dach sowie einem Blockheizkraftwerk besitzt das Hochhaus den Plusenergiestatus.   

Rund 4.000 Menschen arbeiten hier in verschiedenen Gebäuden auf dem LVM-Campus. Dazu kommen bundesweit etwa 2.200 selbstständige Versicherungsagenturen, die mit ihren 5.200 Mitarbeiter:innen und Auszubildenden 3,7 Millionen Kund:innen betreuen.   

Hebel für mehr Klimaschutz    

Als Versicherung ist die LVM direkt von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen. Denn wenn die Risiken aufgrund von extremen Wettereignissen steigen, wird Schutz zunehmend schwer bezahlbar. Die größten Hebel, um nachhaltiger zu werden, sind naturgemäß das Versicherungsgeschäft und die Kapitalanlage. Allerdings lässt sich auch im Kleinen einiges bewegen. So bietet der eigene Geschäftsbetrieb viele Möglichkeiten, um die Auswirkungen auf Klima und Umwelt zu reduzieren. Ziel der LVM ist es, alle Emissionen, die durch den eigenen Geschäftsbetrieb entstehen, so gering wie möglich zu halten.  

 Mobilität ist ein wichtiger Faktor  

Was man – im Gegensatz zum Kristallturm – nicht sofort sieht: Die vielen kleinen Hebel, die das Unternehmen in Sachen Umweltschutz bereits in Bewegung gesetzt hat. In der Kantine liegt der Fokus auf Regionalität und Ressourcenschonung, z.B. mit einem eigens eingeführten Pfandsystem. Auch landen ausgemusterte elektronische Geräte, wie Laptops und Smartphones, nicht im Müll, sondern werden aufbereitet. Das Gleiche gilt fürs Hygienepapier in den Waschräumen und Teeküchen: Der vermeintliche Papierabfall wird nach der Nutzung separat entsorgt, wieder zum Hersteller gebracht und dort zu neuem Papier verarbeitet.  

Das Thema Mobilität ist ebenfalls ein großer Faktor, um CO₂ einzusparen. Erste wichtige Schritte sind bereits bei der Elektrifizierung der Flotte umgesetzt. Und auch die Bahn wird bereits viel genutzt. Aber die Ziele der LVM sind ambitioniert – und das Thema Mobilität ist immer auch sehr persönlich. 

Hier kommt das Team von bahn.business ins Spiel, das im November nach Münster reiste. Beim Workshop

„Green Nudging – Ein wirkungsvoller Ansatz für ökologisches Mobilitätsverhalten“

erarbeiteten die DB-Coaches gemeinsam mit LVM-Mitarbeiter:innen Lösungen, damit sich die Kolleg:innen in Zukunft intuitiv für klimafreundlichere Mobilität entscheiden. „Durch die Initiative der Deutschen Bahn sind wir auf die Möglichkeit aufmerksam geworden, den LVM-Agenturen Green Nudging näher zu bringen“, erklärte Lea Bäumer-Kern, Spezialistin für Nachhaltigkeit im Vertrieb bei der LVM. „Solche Formate bringen viele Menschen und Perspektiven an einen Tisch. Das hilft, unterschiedliche Meinungen zu berücksichtigen und in Maßnahmen einzubeziehen.“   

Nachhaltigere Veränderungen entstehen nicht von jetzt auf gleich, vor allem nicht bei so einem großen Unternehmen. Aber wie nimmt man die Mitarbeitenden mit? „Indem man sie richtig einbindet“, betonte Prof. Dr. Nicole Behringer, Professorin für Wirtschaftspsychologie, die gemeinsam mit bahn.business-Coach Dirk Bösicke den Workshop leitete. „Sie müssen für das Thema sensibilisiert werden, einen persönlichen Mehrwert erkennen und verstehen, dass jeder Einzelne dazu beitragen kann, diese Ziele zu erreichen. Vor allem sollte man aber herausfinden: Was hält die Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsalltag davon ab, nachhaltiger zu handeln?“   

Potenziale für Veränderungen erkennen  

Gerade Außendienstmitarbeitende, die in einer unabhängigen und mobilitätsintensiven Arbeitsumgebung tätig sind, könnten einige Maßnahmen als Eingriff in ihre Autonomie wahrnehmen, so Behringer. Dazu komme, dass Außendienstler oft über weite geografische Regionen verteilt sind, was eine einheitliche Implementierung erschwere. „Die größte Hürde liegt für mich in der Aufklärung“, berichtete Elin Alexy, LVM-Agenturmitarbeiterin aus der Nähe von Oldenburg. „Viele wissen überhaupt nicht, wo die Potenziale für einfache Umstellungen für ein nachhaltigeres Büro liegen. Außerdem sind solche Veränderungen meist mit Arbeit und finanziellen Investitionen verbunden, die erstmal abschrecken.“    

In ihrer Einführung lieferte die Green Nudging Expertin Nicole Behringer jede Menge Impulse, die von den Teilnehmenden dann in Gruppenarbeit weitergesponnen und in vier Pitches präsentiert wurden.   

Ein Blick in die Arbeitsgruppen:  

Umstieg auf die Bahn. Wie kann man die Bahn für Agenturmitarbeiter:innen attraktiver machen und die Nutzung fördern?   

Bei der Auswahl von Locations für interne Veranstaltungen, wo viele Mitarbeiter:innen aus ganz Deutschland anreisen, sollte nach Möglichkeit von Anfang an die Nähe zum Bahnhof mitgedacht werden.   

Bei diesem Nudge geht es darum den Entscheidungsaufwand zu verändern. Denn: Je größer der Aufwand für ein bestimmtes Verhalten, desto unwahrscheinlicher ist dessen Ausführung. Locations ohne „Bahnanschluss“ führen dazu, dass die Bahn seltener für die Anreise genutzt wird. Die Agenturmitarbeiter:innen, Agenturbetreuer:innen und Verantwortliche aus dem Veranstaltungsbereich konnten hier direkt von ihren Erfahrungen berichten, was für die Diskussion von großem Vorteil war.  

Ein zentraler Hebel kann auch die Standardeinstellung im Buchungssystem sein, denn Menschen neigen dazu, die voreingestellten Optionen beizubehalten.  

Wird im Buchungssystem durch einen CO2-Vergleich ein Umweltvorteil für die nachhaltigere Mobilitätsoption deutlich, kann dies Mitarbeiter:innen helfen, die Umweltfolgen ihrer Entscheidungen zu verstehen und nachhaltigere Alternativen zu wählen. Wird etwa die Bahn als CO₂-ärmste Option angezeigt, fördert dies ihre Wahl als Verkehrsmittel.  

Wichtig ist dabei auch, Zahlen greifbar zu machen, indem sie in Alltagsbeispiele übersetzt werden, die die meisten Menschen intuitiv verstehen. Wenn man beispielsweise für die Strecke von Berlin nach München mit der Bahn statt mit dem Flugzeug reist, spart man etwa 226 kg CO₂ – das bedeutet im Vergleich zum Flugzeug 100 Prozent weniger Emissionen. Das ist zunächst eine abstrakte Zahl ohne Wirkung. 226kg CO₂ entspricht dem Verbrauch eines Kühlschranks in 3 Jahren. Mit dieser Information können Menschen eher etwas anfangen.  

Ein weiterer Ansatz kann sein, Bonuspunkte für Bahnreisen für Goodies (wie Abendessen vor Ort) oder wohltätige Zwecke einzusetzen. Zuschüsse für Gruppentickets und Sponsorings würden den Umstieg zusätzlich erleichtern. Dafür ließe sich beispielsweise das bahn.bonus-Programm nutzen oder ein eigenes Programm entwickeln.  

Fahrgemeinschaften fördern.  

Kosten sparen, die Umwelt schützen und nette Kolleg:innen kennenlernen: Ziel der Gruppenarbeit im Workshop war es, Fahrgemeinschaften für Veranstaltungen und Trainings zu etablieren. Seit Dezember können Mitarbeiter:innen Fahrten mithilfe einer App unkompliziert als Fahrer:innen oder Mitfahrer:innen planen. Eine solche App reduziert den Aufwand, der normalerweise mit der Planung von Fahrgemeinschaften verbunden ist. Poster und Videos stimmen Mitarbeiter:innen emotional und kognitiv auf das Thema ein, außerdem gibt es auf Spotify eine Mitfahr-Playlist. Titel wie „Mitnehm‘“ von Clueso machen das gemeinsame Pendeln noch kurzweiliger.   

Menschen orientieren sich bei neuen Entscheidungen am Verhalten anderer. Der Workshop brachte daher noch einen weiteren Ansatz: Testimonials und Videos von Kolleg:innen, die gemeinsam fahren, zu nutzen, da sie eine positive soziale Norm schaffen können: „Andere machen es auch, vielleicht sollte ich mitmachen.“  

Spielerische Elemente in einer solchen App, wie Punktesammeln, Ranglisten oder Belohnungen, hätten zusätzlich die Chance, Fahrgemeinschaften als „Spiel“ darzustellen, die Motivation zu steigern und die Teilnahme attraktiver zu machen. So eine App kann zudem für gemeinsame Fahrten zum Bahnhof genutzt werden, wodurch die Themen clever verknüpft werden.  

Frischer Blick von außen   

„Mir gefiel vor allem der frische Blick von außen auf unsere Themen bei der LVM. Interessant fand ich auch die Fallbeispiele aus anderen Unternehmen, die zeigen, dass alle mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben“, zog Stefanie Anft, Spezialistin für Nachhaltigkeit im Vertrieb bei der LVM, ein Fazit. Auch Elin Alexy zeigte sich zufrieden: „Dass die Bahn diesen Workshop unterstützt hat, fand ich großartig. So wurde ein Austausch ermöglicht, der gerade beim Thema nachhaltige Mobilität wichtig ist. Mein größtes Learning heute: Die Stellschrauben zu bestimmen, an denen wir drehen können, um Veränderungen zu bewirken.“  

Nicole Behringer freute sich, dass am Ende des Workshops praxisnahe Nudges feststanden, die sich kurzfristig umsetzen lassen. Und unterstrich: „Ein eintägiger Workshop kann nur den Grundstein für ein nachhaltigeres Verhalten im Unternehmen legen. Langfristig sind Pilotprojekte, die schrittweise Verankerung von Green Nudging im Unternehmen und eine transparente Kommunikation der Erfolge essenziell.“   

Weitere Informationen: https://lvm-nachhaltigkeit.de/